#Sonderbeitrag zum Muttertag
Der Muttertag verlangt – genau, wie alle anderen höheren Feiertage, mit Ausnahme von u.a. Christi Himmelfahrt und Pfingsten – von uns Buchhändler:innen einen Tisch in der Buchhandlung Seeseiten zu gestalten, damit die Menschen, die sich an uns ein Vorbild nehmen und ihrer Mama ebenfalls Bücher schenken wollen, zeitig alles finden, was als Geschenk taugt.
Früher da hast du, oft schon im Jänner oder im Frühsommer des Vorjahres, ein Paket Geschenkbücher bestellt, mit tollen Titeln wie „Wow, SuperMom“ oder „Du bist die allerbeste Mama!“ (jo, eh) oder „Du bist die Allerbeste, Mama!“ (#dankebeistrich) oder auch einen humorigen Ausreißer mit Kindermund-Schmäh, wie z.B. „Mama hat sich renoviert“, erschienen 2006 im Baumhaus Verlag (speziell für die, deren empathische Fähigkeiten immerhin noch so weit reichen, dass sie sich einreden, die Mama hätt was zum Lachen verdient und findet nach all den Jahren Kinder und Kindersprüche immer noch lustig).
Der Mama Blumen und ein Buch schenken, in dem es drum geht, dass sie eine Mama ist, ist nicht mehr zeitgemäß. Buchhändlerinnen ist das wahrscheinlich schon lang bewusst, Buchhändlern wahrscheinlich erst, seit sie, um Platz für den Muttertagstisch zu schaffen, den Tisch mit Büchern zum Weltfrauentag abräumen müssen. Während des Abräumens kommt dann schön schrittweise die Erkenntnis daher, dass „Wow, Supermom!“ einfach nicht mehr stimmt. Hat noch nie gestimmt, aber schön langsam kommt der Markt auch drauf.
Wobei mir mein Gehirn grade widerspricht, weil es mir in Erinnerung ruft, wie viele Männer mit Orchideen in Plastikverpackung ich am Valentinstag aus dem Supermarkt H. rausgehen habe sehen, aber wurscht. Ihr könnt das selber überprüfen: Bringt eurer Mama so ein Buch mit und beobachtet beim Überreichen ganz genau ihre Mundwinkel. Verrutscht das frohe Lächeln? Blättert die Mama mehr als zweimal um und liegt das Buch dann beim nächsten Besuch am Klo bei den anderen? Wenn ja, könnt ihr es ja wieder mitnehmen und ohne Rechnung (wenn es von der Mama nicht inzwischen um d`Erd g`haut worden ist) in eurer Seeseiten Buchhandlung umtauschen.
Warum haben sich solche Titel früher besser verkauft? Und war das besser? Was ist die Lösung? Und was tu ich jetzt auf den Muttertagstisch? Die Antworten hier sind ehrlicherweise in dieser Reihenfolge: ‚Keine Ahnung!‘, ‚Weiß ich nicht.‘, ‚Ich versteh die Frage nicht‘ und ‚Gute Bücher.‘.
Im ganz Kleinen lässt sich hier beobachten, was Gendern, Feminismus, öffentliche Diskussion, Aktionen, Theater, Kunst, Gespräche, bewirken, Schritt für Schritt. Kleinweis aber dadurch hoffentlich nachhaltig. Weil, wenn du jetzt überlegst, was der Mama gefallen könnte, was sie gern liest, was ihr Freude bereitet, was sie glücklich macht in ihrer Freizeit – außer ein Besuch von dir, weil daher kommt dann meistens das Lächeln, nicht vom geschenkten Buch „Du bist die allerbeste Mama“ – dann sind wir glaub ich schon einen kleinen Schritt weiter als in der guten, alten Zeit.
Und obwohl „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ auf dem Muttertagstisch – wie auch auf dem Vatertags- und dem Valentinstagstisch (im Midi- oder Miniformat macht sich das ganz formidabel neben einer Orchidee) auf keinen Fall fehlen darf und obwohl, das durchaus nicht heißen soll, dass Mama nicht die Allerbeste ist und so ein Aufheiterungsbüchlein nicht hin und wieder frohe und glückliche Aufheiterung schenken kann, liegen am Muttertagstisch jetzt ganz unterschiedliche Bücher. Romane, Sachbücher, Comics, …
Wenn dann da nichts dabei ist und deine Finger schon gefährlich in Richtung „Die besten Mamas sind nicht perfekt, sie sind echt“ zucken, dann wart noch ganz kurz und frag die Mama am Telefon, was sie sich wünscht. Frag die Partnerin oder den Partner deiner Mama, ob sie dir ein Foto vom TBR-Stapel (To be read) am Nachtkastel der Mama schickt oder schau selber nach.
Deinen Buchhändler:innen schickst du das Foto mit der Bitte, dass wir dir drei Bücher raussuchen, die deine Mama interessieren könnten und wir machen das für dich. Ratzfatz, mit Rückgaberecht, eh kloa (ein bisschen Werbung muss sein).
Im schlimmsten Fall gibt’s immer noch „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ und selbstgemalte Gutscheine oder ein Bücherabo. Orchideen vom Diskounter bitte weglassen.
Einen schönen Muttertag,
wünscht euch
Johannes
Ein paar Muttertagstipps mit Rezensionen für euch:
– „Die Wirtinnen“ von Silvia Pistotnig
– „Going Zero“ von Anthony McCarten
– „Neun Leben“ von Peter Swanson
– „Die Schachnovelle“ von Stefan Zweig (Graphic Novel)
– „Unten Himmel, oben Erde“ von Milena Michiko Flasar
– „Fremde Federn“ von Alina Lindermuth
– „Troubadour“ von Martin Walker
– „Die Liebe an miesen Tagen“ von Ewald Arenz
– „Kinder von Schönbrunn“ von Beate Maly
– „Unberechenbar“ von Spiota
– „Melody“ von Martin Suter
– „22 Bahnen“ von Caroline Wahl
– „Mr. Loverman“ von Bernardine Evaristo
– „Geradegerückt“ von Beate Hausbichler & Noura Maan