#6 Unsichtbare Frauen

#6 Unsichtbare Frauen

Gemütlich saß ich vor einiger Zeit bei meinem Morgenkaffee und war erfreut darüber, dass im Standard ein ausführlicher Artikel über die Seestadt verfasst wurde. Anhand eines Fotos von Johannes auf dem Fahrrad freute ich mich schon darauf, dass auch die Seeseiten Buchhandlung in dem Artikel vorkommt. Ganz wunderbar und prominent wird erzählt, dass Johannes Kößler, Inhaber der Buchhandlung Seeseiten, selbst auch gerade umgebaut und den Laden erweitert hat. Zuerst lese ich einfach weiter, aber plötzlich halte ich inne, gehe nochmals ein paar Zeilen zurück und registriere, dass hier mit keinem einzigen Wort erwähnt wird, dass die Buchhandlung auch meine ist. Ich denke mir, ach ist doch egal. Aber es dauert nicht lange und ich spüre einen aufkeimenden leichten Ärger in mir und beginne darüber nachzudenken, wie oft mir das eigentlich passiert. Es vergeht kein Tag in der Buchhandlung, an dem ich Dienst habe, wo nicht mindestens eine oder auch mehrere Personen reinkommen und nach dem Chef fragen und mich mit verwirrten Blicken ansehen, wenn ich ihnen sage, nein, der Chef wäre nicht da, aber die Chefin stünde vor ihnen.

Und wenn ich noch länger darüber nachdenke, dann fallen mir viele Situationen in meinem Leben ein, in denen ich mich als erfolgreiche Geschäftsfrau, rechtfertigen musste. Nicht nur einmal habe ich die Frage gehört: Wie geht denn das? Mutter sein und Handelsvertreterin, ständig auf Reisen, sehen Sie da ihr Kind überhaupt noch?
Ich wage zu behaupten, dass kein Mann das jemals gefragt wurde. Ich wage auch zu behaupten, dass, wären es zwei männliche Geschäftsinhaber in den Seeseiten auch beide im Standard Artikel namentlich genannt wären. Und ich wage zu behaupten, dass es ganz vielen Frauen wie mir geht. Und ich wage auch zu behaupten, dass viele Frauen auch deshalb nicht die Karriereleiter erklimmen, weil es um ein Vielfaches anstrengender ist und man sich so viel mehr Gehör verschaffen muss, als es für einen Mann nötig ist.

Ich bin eine starke und selbstbewusste Frau. An den meisten Tagen meines Lebens ist mir diese Ungerechtigkeit auch egal. Warum? Ich denke an die vielen Frauen, die anders sozialisiert sind, in anderen Ländern leben, in denen mit Füßen auf die Frauenrechte getreten wird. Da habe ich es hier in Österreich ja wirklich einfach. Also beschwer dich nicht.
Wenn ich allerdings ganz ehrlich zu mir bin, dann muss ich feststellen, dass wir auch hier in Österreich noch meilenweit von einer wirklichen Gleichberechtigung, zwischen Mann und Frau, entfernt sind.

Denken Sie selbst mal an Ihre Erfahrungen oder auch wie Sie anderen Menschen begegnen, in welche Schubladen man sofort das Gegenüber reinlegt. Ein wunderbares Buch zu diesem Thema wurde von Caroline Criado-Perez geschrieben. Der Titel lautet „Unsichtbare Frauen“ und ist meiner Meinung nach ein Pflichtbuch. Frauen werden nicht gesehen, weil Daten über Männer den Großteil unseres Wissens ausmacht. Anhand vieler Beispiele wird auf diese Ungerechtigkeit hingedeutet. 1975 hat die Vereinte Union das Jahr der Frau ausgerufen. Am 24. Oktober 1975 haben sich isländische Frauen zusammengetan und an diesem Tag weder bezahlte noch unbezahlte Arbeit verrichtet. 90% der Frauen haben sich bei dieser Aktion beteiligt. Man kann sich vorstellen, was da los war. Die Aktion hat in Island Großes bewirkt. Auch heute noch hat das Parlament in Island ohne Quotenregelung das ausgeglichenste Geschlechterverhältnis. Weltweit wird 75% der unbezahlten Arbeit von Frauen verrichtet. Frauen verbringen täglich zwischen 3 und 6 Stunden damit, Männer lediglich 30 Minuten bis maximal 2 Stunden. Wie kann man diesen Fehler beheben? Was ist zu tun und wie kann diese Diskriminierung gestoppt werden.

Eine aufrüttelnde Lektüre und eine Bereicherung für das Zusammenleben!
– Bettina


Unsichtbare Frauen
von Caroline Criado-Perez
btb Verlag 2020
978-3-442-71887-0

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