Humor in Büchern

#60 „Kommt ein Pferd in eine Bar…“ – Auf der Suche nach humorvollem Lesegenuß.

Von Adrienne Pötschner, Evelyn Eggerstorfer und Johannes Kößler

Ich bin 34 Jahre jung und in den Jahren meiner selbstständigen Lesekarriere, also seit ich in der Lage bin Bücher zu lesen, hat sich eine Vorliebe für gewisse Stimmungen in Büchern herauskristallisiert. Diese Tendenz hat sich, seit ich Buchhändlerin bin, noch mehr manifestiert. Was meine ich mit diesen kryptischen Umschreibungen? Genretechnisch bin ich in erster Linie interessiert an Belletristik und habe dabei ein Faible für, wie ich es gerne nenne, „trostlose“ Bücher entwickelt. Ich lese oft Bücher in denen entweder so wenig passiert, dass sich die meisten Leser*innen langweilen würden (z.B. das autobiographische Projekt von Karl Ove Knausgard), oder Bücher in denen den Protagonist*innen unsagbar grauenvolle Dinge zustoßen (z.B. Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“). Krimis mag ich lustigerweise aber oft gar nicht, weil ich schnell durchblicke, wie es ausgehen wird oder mir die Handlung zu brutal ist. Was mir sehr selten gelingt, ist, dass ich etwas Lustiges lese. Um mir selbst etwas Gutes zu tun, habe ich mir daher vorgenommen 2025 mehr lustige Bücher zu lesen. Da Humor sehr individuell ist und es verschiedene Spielarten davon gibt, findet ihr im Folgenden Empfehlungen von Evelyn, Johannes und mir.


Ein Krimi auf der Suche nach dem Absurden

Bunny McGarry ist fort. Das Klischee eines irischen Polizisten hat grade noch seinem Freund und Schützling Paul und dessen Verlobter Brigitt versprochen mit ihnen eine Detektei zu eröffnen – und gleich den passenden Polizeihund dazu geliefert, da ist er auch schon spurlos verschwunden. Er ist nicht erreichbar, sein geliebtes Auto steht auf einem einsamen Parkplatz, niemand hat ihn gesehen, in seiner Stammkneipe ist er nicht aufgetaucht und zum Training seiner Jugendmannschaft ist er auch nicht erschienen.
Der Polizeihund entpuppt sich als schlechtgelaunte, gewaltbereite, drogen- und alkoholabhängige Polizeihündin und zu allem Übel taucht auch noch die übel zugerichtete Leiche eines einflussreichen Milliardärs und Immobilienunternehmers auf, der einiges an Ärger mit Bunny McGarry hatte. Da drängen sich dann doch Vermutungen auf, die Paul an der Rechtschaffenheit des ruppigen Polizisten zweifeln lassen. Doch keine Sorge, alles ist schlimmer als erwartet!
Die Reihe rund um Bunny McGarry und sein Team an Misfits ist zum Schreiben komisch, zum Schreien komisch und zum Speiben komisch. Was McDonnell mit seinen Dublin-Romanen schafft, ist die erfolgreiche (aber unglaublich irre) Verbindung zwischen Thriller, Krimi und himmelschreiendem Humor. Du liest, du lachst und dann schämst du dich, dass du über so etwas gelacht hast. C.K. McDonnells „Bunny McGarry glänzt durch Abwesenheit“ ist eine absolute Empfehlung für alle, die gern – auch wenn sie allein sind – laut und aus vollem Herzen (und Magen) lachen! (JK)


Evelyn und der gute Humor

Was ist lustig? Wie so vieles ist das Ansichtssache und Geschmäcker sind verschieden. Dinge die ich lustig finde, verstehen andere nicht und umgekehrt. Ich mag ja eher schwarzen Humor. Mein Sinn für Galgenhumor hat mich schon über manche Krise gerettet. Dementsprechend ist auch meine Auswahl an „lustigen Büchern“ eher …. naja, sagen wir speziell. Bestseller, wie die Bücher von David Safier, sind nicht so mein Fall. Auch „Er ist wieder da“ von Timur Vermes lässt mich eher kalt. Dementsprechend ist meine Liste von humorvollen Büchern, die ich gelesen und für gut befunden habe, sehr kurz. Also was würde ich einer lieben Kollegin empfehlen, die ihren Humor-Horizont erweitern möchte? Klarer Fall: Marc-Uwe Klings „Die Känguru Chroniken“. Es klingelt an der Tür. Marc-Uwe ein eher erfolgloser Kleinkünstler öffnet und sieht sich einem sprechenden Känguru gegenüber: „Ich bin gerade gegenüber eingezogen, wollte mir Eierkuchen backen und da ist mir aufgefallen, dass ich vergessen habe Eier zu kaufen…“

Von Evelyn ebenso für sehr lustig befunden: Michael Ostrowskis „Der Onkel“.

In Folge borgt sich das Känguru nicht nur die Eier, sondern auch Salz, Mehl, Milch, Pfanne, Öl, Schneebesen, Rührschüssel aus. Da in der neuen Wohnung auch der Herd fehlt, macht es sich nicht nur kurzerhand in der fremden Küche breit, nein es zieht gleich komplett ein und übernimmt ab diesem Zeitpunkt die dominante Rolle in Marc-Uwes Leben. Die Geschichte über diese absurde WG funktioniert so gut, dass es mittlerweile mehrere Bände, inkl. einer eigenen Reclamausgabe, Gesellschafts-Spiele, eine Verfilmung und eine Comic-Reihe gibt. Das Känguru war mein Einstieg in die Welt von Marc-Uwe Kling und seither hab ich so ziemlich alles gelesen und gehört, was er veröffentlicht hat. (EE)


Comedian Giulia Becker findet gekonnt den Witz im Alltäglichem

Meiner Wahrnehmung nach ist die Nachfrage nach lustigen Büchern seit der Pandemie gestiegen und jede Verunsicherung, geschuldet politischen und/oder gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, festigt diesen Trend. Humor kann ein Werkzeug sein um mit diesen Entwicklungen umgehen zu können und wenn es nur der Ablenkung oder Zerstreuung dient. Ich persönlich bin ein Fan von Humor in Form von Gesellschafts- und Politsatiren (z.B. „Content“ und „Salonfähig“ von Elias Hirschl), anekdotenhaften Erzählungen, die auf Alltagssituationen und ihrer Situationskomik beruhen („Dicht“ und „Iowa“ von Stefanie Sargnagel) und skurillem und abgründigem Humor (Heinz Strunk ist hierfür mein Favorit). Spannenderweise ist es mir tatsächlich geglückt mein Lesejahr 2025 mit einem Buch einzuläuten, das eines dieser Kriterien erfüllt. Giulia Beckers aktuelles Buch „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“ habe ich mit Spannung erwartet und mit großer Freude gelesen. Es handelt sich um eine Sammlung von Erzählungen, die vermutlich teilweise, auf Erlebtem der Autorin basieren, und mit feiner Beobachtungsgabe die Komik verschiedener Situationen aufspüren. Sie erzählt unter anderem von einem Urlaub bei dem sich die Protagonistin für einen Thermenaufenthalt in Deutschland entscheidet, da sie sich dort die größtmögliche Erholung erwartet. Natürlich wird der Aufenthalt aus unterschiedlichen Gründen alles andere als erholsam; sie wird zum Beispiel fälschlicherweise für die Haustechnikerin gehalten. Dass das Ganze eskaliert, ist irgendwie klar, aber es ist eine sehr unterhaltsame Eskalation. Ebenso lustig ist eine Erzählung, in der die Ich-Erzählerin beschreibt, wie sie versehentlich bei Mediamarkt eingesperrt wird und was sie in der Nacht dort tut. Das Schöne an Beckers sehr abwechslungsreichen Texten ist, dass ich mich absolut abgeholt fühle.

Ich kann zu fast 100% nachempfinden wie es dem lyrischen Ich, einer durchwegs neurotischen Frau in ihren Dreißigern, geht und glaube, dass ich in unterschiedlichen Situationen ähnlich reagieren würde. Dadurch fühle ich mich ertappt, aber auf eine gute Art und Weise, die mich dazu bringt über mich selbst und meine teilweise exzentrischen Angewohnheiten zu schmunzeln. Ähnliches kenne ich bisher in dieser Qualität nur von Loriot, dessen Sketche mir bis heute die Lachtränen in die Augen treiben können. Giulia Becker schreibt u.a. Sketche für Jan Böhmermann und ist selbst Komikerin. Das ist wahrscheinlich mitunter ein Grund dafür, warum die Pointen in ihrer Anthologie so gut sitzen – jedenfalls eine unbedingte Leseempfehlung von mir für diese sehr unterhaltsame und abwechslungsreiche Anthologie! (ALP)


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