Wilderness of Girls
Madeline Claire Franklin
Rhi ist 16, aus ihrem zu Hause ausgezogen (erzwungen) und bei ihrem Onkel untergekommen, der als Ranger im Naturreservat rund um das kleine Dorf Happy Valley arbeitet.
Sie hat sich gut eingelebt, es geht ihr eigentlich, in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Familie vor Kurzem wegen der finanziellen Eskapaden ihres Vaters in Stücke gerissen wurde, erstaunlich gut und so beginnt sie in ihrer Freizeit für die Verwaltung des Naturreservats, die Wanderwege zu inspizieren und instand zu halten. Als ihr eines Nachmittags vier „wilde Mädchen“ von zwei Wölfen flankiert gegenüberstehen, weiß sie erst nicht, was sie tun soll. Doch dann sieht sie, dass am das Bein des jüngsten Mädchens ein Fangeisen hängt, das seine metallenen Zähne tief in ihren Unterschenkel gegraben hat und Rhi ruft Hilfe.
Die Entdeckung der vier „wilden Mädchen“ entwickelt sich schnell zu einer Sensation und sobald die Wunde der Jüngsten versorgt ist, werden sie in eine psychiatrische Klinik gebracht. Erst sprechen die Mädchen mit niemandem ein Wort, doch als sie sich Rhi gegenüber finden, stellt sich heraus, dass sie schreiben, lesen und sprechen können und nur darauf gewartet haben, dass die Jugendliche wieder zu ihnen stößt.
Kein Moment vergeht, in dem wir nicht mitfiebern und hoffen, dass der Weg zurück in die Freiheit gelingt, dass die Welt schwächer und die Mädchen stärker sind, doch mit jeder Seite schwindet die Hoffnung.

„Wilderness of the Girls“ ist zweifellos eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre. Wie keine zweite erzählt Madeline Claire Franklin in ihrem Debut von dem Gefängnis, das die Gesellschaft – trotz all ihrer Vorteile – für Frauen und Mädchen sein kann, wie viel härter Frauen und Mädchen kämpfen müssen, um ein freies Leben führen zu können und wie vielen Arten von Missbrauch Frauen und Mädchen ausgesetzt sind. Ein Buch so verständnisvoll, klar und hart, wie es liebevoll und packend ist. Eine Warnung, ein Rüstzeug und ein Buch voller Wahrheiten ist „Wilderness of the Girls“; eine Pflichtlektüre für Jugendliche jeglichen Geschlechts.
Ein Nachsatz, Triggerwarnung und ACHTUNG SPOILER:
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Die Themen, die angesprochen werden, reichen von Missbrauch, Depression, Magersucht und Gewalt bis hin zu Kannibalismus und Suizid. Ebenso zentral sind aber Zusammenhalt, Familie, Hoffnung und Kraft. Dieses Buch ist vor allem anderen eine Geschichte und trotz der Wichtigkeit und Gewichtigkeit der angesprochenen Themen verliert die Autorin dies beim Erzählen nie aus dem Blick. Diese Geschichte schafft es vor allem anderen die Angst zu thematisieren, die Jugendliche im Herzen anrührt, die Angst, es in der Welt da draußen, nicht zu schaffen. Deutlich rät die Autorin (und ich rate auch dazu) in der Geschichte und außerhalb, diese Themen anzusprechen und professionelle Hilfe zu suchen, wenn man von einem dieser Themen belastet wird (Kannibalismus ist hierbei natürlich nicht, aber doch hoffentlich, ausgenommen). So hart die Inhalte beim Lesen auch treffen mögen, so wichtig ist es, dass Erwachsene und Erziehungspersonen mitlesen, Themen offen ansprechen und/oder ein offenes Ohr haben für die Sorgen, die Jugendliche haben mögen, auch wenn diese auf den ersten Blick eigenartig oder befremdlich oder vielleicht sogar lächerlich wirken möchten. Erinnern Sie sich. Lesen Sie dieses Buch. Lassen Sie diese Gefühle für die Zeit des Lesens zu, es hilft vielleicht, eine Verbindung zwischen Ihnen und Ihren Jugendlichen zu bilden. Als empfohlenes Lesealter gebe ich ab 14 an. Achtung: Diese Empfehlung erfolgt ohne die Leserinnen und Leser persönlich zu kennen und ist somit natürlich ohne Gewähr.
Madeline Claire Franklin „Wilderness of Girls“
Fischer Verlag, 2024