Sophie: Die Kaisermacherin
von Michaela Baumgartner, Gmeiner Verlag
Eine geniale Richtigstellung.
Es ist eine undankbare und gern persiflierte Position: die der Schwiegermutter. Und außerdem: Nur weil es manchmal eine selbsterfüllende Prophezeiung ist, heißt das noch lange nicht, dass Schwiegermütter nicht harsch oder streng oder sonst was sein dürfen; sie dürfen sein, was sie wollen. Wir wissen oft gar nicht, was Frauen alles erlebt haben und aushalten mussten, was ihre Sorgen, Talente und Wünsche sind. So ein Vorurteil wie das der Schwiegermutter ist ein bequemer Sessel, da kann man sich reinsetzen und ausruhen, und damit ist dann alles geklärt, wenn mal irgendwelche Schwierigkeiten daherkommen. Dann kann man sagen: Schwiemu = böse. Fertig! Oder? Aber jetzt bin ich abgeschweift, denn darum geht es jetzt nicht – oder nicht direkt.

Eigentlich geht es um das Leben der Sophie Friederike von Bayern, Schwester von Königin Elisabeth Ludovika von Preußen. Sie wurde in die habsburgische Thronfolge eingeheiratet und spielte eine wichtige, machtpolitisch-strategische Rolle in der Thronfolge, in der Führung des Habsburgerreichs, und – entgegen allen gängigen Rollenbildern ihrer Zeit und ihres Standes – in der Erziehung ihrer Kinder. Sie war gebildet, selbstbewusst und agierte konsequent.
Was von dem unglaublichen Leben der Erzherzogin Sophie nach den drei Sisi-Verfilmungen blieb, war die Festigung eines Klischees, einer patriarchalen Antagonisierung, wie sie auch der Göttin Hera widerfahren musste. Denn eines konnte Erzherzogin Sophie, deren Mann Erzherzog Franz Karl immer wieder auf ihr Urteil, ihr strategisches Denken und ihr Fingerspitzengefühl angewiesen war, nicht leiden: verantwortungsloses Verhalten und Pflichtscheue.
Es fällt mir inzwischen leicht, das zu behaupten – hat doch Michaela Baumgartner, Historikerin und Autorin, ihrem biografischen Roman Die Kaisermacherin – Erzherzogin Sophie eine Vielzahl an Schriftstücken, Briefen, Artikeln, Tagebucheinträgen, also ein fast unmögliches Maß an Recherche, zugrunde gelegt – leicht nachzuvollziehen im ausführlichen Quellenverzeichnis. Und auch wenn ich mir manchmal gedacht habe, dass das doch wirklich einfach als Biografie hätte erscheinen können, so bin ich froh, dass es ein Roman geworden ist. Denn die Balance zwischen Unterhaltung und diesem Meer aus detailliertem, persönlichem Wissen zu halten, ist Michaela Baumgartner grandios gelungen. Was Erzherzogin Sophie geleistet hat, was sie erlebt hat und erleben musste, scheint im Laufe der Jahre komplett hinter dem Schwiegermutter-Vorurteil verschwunden zu sein. Statt uns in den bequemen Sessel der „bösen Schwiegermutter“ zu setzen, könnten wir einfach dieses Buch lesen und lernen: Was steckt dahinter? Was hat diese Frau erleben, was erdulden, was erleiden müssen? Was hat sie Grandioses geschaffen und gemeistert? Was hat sie gelernt, was hat sie begeistert? Es ist ein Klischee einer patriarchalen Verstrickung: Das Bild der glitzernden Prinzessin muss immer gegen das Bild der bösen Schwiegermutter verlieren. Heißt das, dass Sisi in Wirklichkeit die Böse war und Sophie die Gute? Nein. Es heißt, genau hinzuschauen und nachzudenken und zu hinterfragen – und ein wirklich gutes Buch zu lesen, das in seiner Faszination für einen politisch denkenden und handelnden Menschen mitreißt und mit differenziertem Wissen nicht spart. Dass Die Kaisermacherin nebenbei auch noch berührt, setzt dem Ganzen die Krone auf – die Kaiserinnenkrone.
– Johannes

Die Kaisermacherin
Michaela Baumgartner
Gmeiner Verlag
