Seeseiten imteam: Johannes über Silvia
Jedes Haus, jeder Ort mit Ausstrahlung braucht, nein, hat einen Genius Loci. Jemanden, der den Geist des Ortes trägt, der da ist, in manchen Erzählungen wacht, die Menschen und die Umgebung kennt und das mal leiser oder mal lauter aber immer im Einklang mit den Geräuschen eben dieses Ortes.
Ich kann mich nicht an den Tag erinnern, als Silvia das erste Mal in der Buchhandlung war und – wie sie das immer erzählt – auf der Empore gestanden und beschlossen hat, hier zu arbeiten. Wie vieles, was hier in der Seeseiten Buchhandlung passiert ist, ein glücklicher Zufall.
Ich kann mich vor allem deshalb nicht mehr erinnern, weil ich in den ersten Jahren der Seeseiten Buchhandlung permanent in einer Mischung aus Adrenalinrausch und Schockzustand war.
Das erste Mal, als Silvia allein in der Buchhandlung war, ist sie kurz von ihrem Kreislauf im Stich gelassen worden. Woran ich mich im Stress erinnern kann, ist, dass ich mir gedacht hab: „Verdammt, ich hätte sie nicht allein lassen dürfen.“ (Die Rettung hat in die damals noch kaum ausgebaute Seestadt ungefähr eine halbe Stunde gebraucht, weil sie die Adresse nicht gefunden hat) und „Verdammt, jetzt haben wir endlich eine gute Buchhändlerin gefunden, hoffentlich ist sie bald wieder auf dem Damm, damit sie uns nicht mehr alleine lässt.“
Irgendwer oder irgendwas hat zugehört. Silvia ist es bald wieder besser gegangen und seit diesem Tag hat sie uns nicht mehr allein gelassen. Mit ihrem Wissen über die Menschen und das Leben in der Donaustadt, mit ihrer manchmal stillen und manchmal laut herauslachenden Begeisterung für das Lesen, die Literatur und die damit verbundenen Menschen, haben wir eine Genius Loci gefunden, eine bezaubernde Silvia, mit einer unmöglichen Sammlung an Zetteln und Notizen, bei der ich immer den Eindruck habe, sie weiß genau, was auf welchem steht, aber wo er sich grade versteckt, das weiß nur der Zettel selbst.
Eine Kollegin, die, beständig und überlegt, mit lautem Lachen und unglaublicher Dynamik all das, was unsere Seestadt, unsere Donaustadt und unsere Buchhandlung ausmacht, mitlebt. Ihr Wissen um Arbeitsrecht, die Unterstützung ihres Mannes und ihrer Kinder, ihre Geduld und Freude an der Arbeit sind unbezahlbar und sehr beruhigend.
Sie weiß, in welcher Ecke des Bezirks was passiert, kennt die Geschichte und schreibt, dass die Tasten glühen, sie ist eine, die sich nichts Ungutes gefallen lässt. Wie viele Bücher sie schon gelesen hat, weiß ich nicht, aber dass Silvia ins Schwärmen gerät, wenn sie über Renate Welsh, Mira Lobe oder einen neuen Roman von Monika Helfer spricht, macht sie für uns zur guten Geistin der Seeseiten Buchhandlung.
Was sind deine aktuellen Lieblingsbücher?
– Trude Teige: „Als Großmutter im Regen tanzte“
– Karin Peschka: „Dschomba“
– Barbara Deißenberger: „Eine Geschichte in Weiß“
– Doris Knecht: „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“
– Renate Welsh: „Ich ohne Worte“
Was ist das erste Buch, an das du dich erinnerst?
Mira Lobe: „Das kleine Ich bin Ich“
Wie würde deine Biografie heißen?
„Silvia liest“ oder „Lasst Silvia lesen“ oder „Leben ist lesen“