#18 „Ich bin berühmt und hasse es.“
Ich glaube, jeder hat sich mal vorgestellt, wie es wohl wäre, berühmt zu sein. Wie es wäre hinauszugehen und von jeder und jedem erkannt zu werden. Jeder will wissen, wie es dir geht, jeder will Fotos und Videos mit dir, Autogramme und Gespräche. Jeder liebt dich, jeder kennt dich und ist fasziniert von dir, jeder will nur dich, dich und dich! Also wer will bitte nicht das Gefühl haben, von Millionen von Menschen so gewollt zu sein?
Jennette McCurdy wollte das nicht. Sie wollte nicht von der Gesellschaft als das gesehen werden, was sie vorgab, in ihrer berühmten Jugendserie „iCarly“ zu sein. Und in diesem Buch erzählt die Schauspielerin, wie es überhaupt zu so einem Kapitel in ihrem Leben kam: nämlich durch Missbrauch und Manipulation.
Jennette McCurdy hat die Rolle als „Sam Puckett“ in der damaligen Jugendserie „iCarly“ übernommen. Samantha Puckett ist ein junges Teenagermädchen, sie ist die beste Freundin des Hauptcharakters Carly Shay und gleichzeitig auch die CO-Moderatorin von iCarly. Die junge Sam ist in der Serie immer sehr wild und aggressiv drauf, sie macht ihr eigenes Ding und wenn’s den anderen nicht passt, dann macht sie sich nichts draus, schließlich traut sich niemand so wirklich ihr etwas Ungerechtes anzutun.
Als ich vor einer Weile in den sozialen Medien gesehen habe, dass Jennette McCurdy wohl ein Buch geschrieben hat und es bald veröffentlicht wird, dachte ich nur „OHA! Das Mädchen aus ,iCarly‘ hat ein Buch geschrieben und ich werde es wohl lesen müssen!“ und jetzt schäme ich mich dafür, dass ich „das Mädchen aus ,iCarly’“ gesagt habe. Jennette McCurdy ist nicht „das Mädchen aus ,iCarly’“. Jennette McCurdy ist Jennette McCurdy. Ich denke, das ist die wichtigste Botschaft, die ich aus diesem Buch herausziehen konnte.
In ihrem Memoir „I’m Glad My Mom Died” geht es darum, wie Jennette McCurdy ihre gesamte Kindheit und Jugend mit dem Gedanken aufwächst, dass ihr eigenes Glück nur darin besteht, ihre Mutter glücklich zu machen. Im ersten Moment klingt das vielleicht nicht einmal so schlimm, wer will bitte nicht die eigene Mutter glücklich machen? Doch in dieser Geschichte werden Grenzen überschritten. Schon von Kindheit an wird Jennette gezwungen Schritte in Richtung der Schauspielerei zu machen, ohne dabei zu ahnen, dass sie das gar nicht will. Die Träume ihrer Mutter wurden zu ihrer Realität, wie in diesem Zitat deutlich wird:
„Millionen von Menschen träumen davon, berühmt zu sein, und ich bin berühmt und hasse es. Aber irgendwie fühle ich, dass ich ein Recht auf meinen Hass habe, denn ich war nicht diejenige, die davon geträumt hat, berühmt zu sein. Das war Mom. Sie hat mir das aufgezwungen. Und ich darf den Traum von jemand anderem hassen, auch wenn er meine Realität ist.“
McCurdy: „I’m Glad my Mom died“. S. 277.
Jennette McCurdy wurde unbemerkt von ihrer Mutter unter Druck gesetzt und missbraucht. Sie litt unter einer Essstörung und hat bis heute immer noch damit zu kämpfen. Sowohl die Gesellschaft als auch ihre eigene Familie haben ihre Jugend zerstört. Heute ist sie erwachsen und bereit neue Kapitel aufzuschlagen, um ihr Leben zurückzugewinnen und von allen Menschen so gesehen zu werden, wie sie in Wirklichkeit ist.
„Männer verletzen dich, ohne dich auch nur annähernd zu kennen. Aber Frauen… Frauen werden dich gut kennen, so richtig gut, und dich dann verletzen. Sag du mir, was schlimmer ist“
McCurdy, S. 251-252.
Ich bin absolut fasziniert von der humorvollen Erzählweise und außerdem bin ich glücklich, dass ich nicht zu lange mit dem Lesen dieses Buches gewartet habe. Es gibt viele Bücher, auf die ich mich jedes Mal beim Erscheinen freue, aber als ich das Buch von Jennette McCurdy in der Hand hielt, wusste ich, dass ich es sofort lesen muss. Ich wurde nochmal daran erinnert, wie schwierig es sein kann als Frau ein Teil dieser Gesellschaft zu sein und wie schon ein kleiner Funken alles zerstören kann. Die Zeit heilt wirklich alles, auch für eine Frau. Das Wichtigste ist nur: nicht still sein, bloß nicht! Hinsetzen, Laptop aufschlagen und losschreiben, die Welt muss es wissen!
– Destina
I’m Glad my Mom died
Jennette McCurdy
Fischer 2023
978-3-596-70888-8
Hier geht’s zum Onlineshop