Haus des flüssigen Goldes
Johannes Kößler
Die Idee, die der burgenländische Philosoph und Autor hier durcherzählt, ist bedrückend einfach und aus dem echten Leben gegriffen. Milch, um genau zu sein Humanmilch, also von Menschen produzierte Milch wird in menschenfreundlicher Umgebung abgepumpt, medizinisch überprüft, abgepackt und verkauft, zu guten Preisen. Und bevor jetzt irgendwer mit Luftschnappen und Aufpudeln anfängt, das gibt’s tatsächlich.
Dabei zählen nicht nur Mütter zu den Kundinnen, sondern auch Bodybuilder, die sich vom „flüssigen Gold“ besonders viele Proteine und wertvolle, den schnellen Muskelaufbau begünstigende Zusatzstoffe versprechen. Eine Frau in Großbritannien hat mit der von ihr produzierten Milch so sogar über € 12000,- verdient. Wohlverdient? Krank? Schwer zu sagen. Auf jeden Fall ein Thema, das das Potenzial für einen echten Aufreger hat. Das weiß Berger und stellt seinen hungrigen Leserinnen und Lesern Maja vor, die als die erfolgreichste Milchproduzentin im „Haus des flüssigen Goldes“ gilt. Ein Glück, denn bisher hat sie ihre Milch – verglichen zu dem, was sie im „Haus des flüssigen Goldes“ verdient – zu einem Spottpreis auf einer Parkbank einem Journalisten verkauft, der sie, sobald er sie in den Händen gehalten hat, seinem Sohn verfüttert hat.
Doch nun ist die Gesellschaft aufgrund von bakteriell verunreinigtem Milchpulver in eine Krise geraten und zahlreiche besorgte Bürgerinnen und Bürger protestieren lautstark vor dem „menschlichen Kuhstall“, wie das „Haus des flüssigen Goldes“ in einer Reportage despektierlich genannte wurde. Als eine Demonstrantin Majas Tochter beschimpft, reagiert Maja radikal, dreht sich zur brüllenden Menge um und zeigt ihnen den Stinkefinger, was die Situation nicht unbedingt beruhigt.
Wir befinden uns mitten im Auge eines unkontrollierbaren Sturms, auch wenn zuerst alles ruhig erscheint, so dauert es nicht lange, bis wir mit Maja gemeinsam in den Himmel gehoben werden. Umso härter ist die Rückreise.
Witzig, gemein und klar ist das Bild, das uns Clemens Berger im Seitenspiegel entwirft. Zielgerichtet und klar erzählt, lässt „Haus des flüssigen Goldes“ keine Frage aus. Wir können uns selbst dabei zusehen wie wir uns aufregen, uns gegenseitig anheizen und antreiben, wie wir geifern, Helden küren, verwerfen und neue finden. „Haus des flüssigen Goldes“ ist ein geniales, beschämendes, der Lust- und der Häme fröhnendes Buch, das uns staunend die Prozesse moderner Mythenbildung und jene unserer eigenen Wut erkennen lässt.
Residenz Verlag
978-3-7017-1791-0