Die sieben Monde des Maali Almeida
von Shehan Karunatilaka
Colombo, 1990. Sri Lanka befindet sich seit 1983 in den Klauen eines blutigen Bürgerkriegs und die ganze Welt mischt mit: Waffenhändler, Diplomaten, Spione, ehemalige Kolonialmächte, jeder trägt seinen Teil zum Blutvergießen bei. Freiheit und Unabhängigkeit sind zu einem Pseudonym für die Gier nach Macht und Geld geworden.
Maali Almeida, Kriegsfotograf, Spieler und – als wenn das nicht schon gefährlich genug wäre – schwul, erwacht, kurz nachdem er ermordet wurde in einem überfüllten Raum, wieder. Um ihn Tote, Ermordete, Verbrannte, Verzweifelte und Beamte hinter Schaltern, die ihm, als er schließlich an der Reihe ist, kurzerhand mitteilen, dass er sieben Tage Zeit haben soll, seine Ohren untersuchen zu lassen, sich die richtigen Stempel am zuständigen Amt zu holen und mit den seinem Seelenzustand entsprechenden Vermerken ins Licht zu gehen, in den ewigen Fluss einzutauchen und wiedergeboren zu werden. Doch da ist noch jemand, eine dunkle Gestalt, die ihm zuflüstert, ihn fortlockt, ein Junge gekleidet in einen Müllsack, der ihm erzählt, dass er sich der Unterdrückung nicht zu beugen hat, dem Diktat des Lichts nicht nachgeben soll. Will er denn nicht wissen, was ihm widerfahren ist? Will er denn keine Rache nehmen an seinen Mördern? Maali will, denn wie man sich im Leben an seine Geburt nicht zu erinnern im Stande ist, so weiß man im Nachleben nichts vom eigenen Tod. Und so macht Maali auf, den Spuren seines Lebens zu folgen, die seinen Körper an dieses grausame Ende geführt haben und entdeckt dabei eine Welt voller Dämonen, untoten wie lebendigen, erzählt ein Land, dass so in einem Mahlstrom der Gewalt gefangen ist, dass kein Weg herauszuführen scheint.
Was das letzte Mal Junot Diaz mit „Oscar Wao“ geschafft hat, gelingt gut 15 Jahre später dem sri lankischen Autor erneut. Shehan Karunatilaka findet in seinem rotzig-verspielten Ton die einzig richtigen Worte für das Unsagbare. Direkt und voller erstaunlicher Erzählschleifen erzeugt „Die sieben Monde“ einen schwindelerregenden Wirbel, der allein durch Sprache, Verzweiflung, Witz, Wut und Zärtlichkeit, Tod und Lebenslust einer Gesellschaft, den Konflikt eines ganzen Landes, die Geschichte und Mythologie einer vielgestalten Kultur aufzeichnet und sichtbar macht.
„Die sieben Monde“ ist ein gewaltiges und unaufhaltsames Buch, facettenreich und packend, eine wilde Reise in unbekanntes Terrain!
Rowohlt 2023
978-3-498-00369-2
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