Vorschaubilder Bücher der Woche KW29

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Bücher der Woche – KW29

Unzusammenhängende Wochenleserei

Bücher der Woche – KW29

Zwischen Ribisel-Mohn-Schoko-Kuchen, Dienstplanmachen und schuldbewusstem Joggen, weil viel zu oft vernachlässigt (AUA), kommen immer wieder Bücher in meinem Lesealltag zusammen, die einen thematischen Überbau zwar nicht vermissen aber ihm doch entbehren. Letzte Woche waren es vier Titel, die mir einerseits spannungsgeladene Entspannung à la „Lethal Weapon“ in Oxford (ja, das funktioniert und zwar hervorragend) und einen Krimi in der holzdielenknarrenden Tradition eines Dashiel Hammett (wobei mir erst das Nachwort den Geistesblitz beschert hat, der mich erkennen hat lassen, woher ich den Ton kenne) gebracht haben und andererseits von Leben erzählten, die mir bisher verborgen geblieben sind. Ich liebe Bücher, hab ich das schon mal gesagt? Solche Erfahrungen kriegst du tatsächlich nur auf Papier. Dass ich diese Woche keine Büchertipps in aller Frühe gebe, versorgt mich außerdem mit mehr Lesezeit und das ausgerechnet in der Saison, wo all die spannenden Herbsttitel darauf drängen, vorab in meine sehnsüchtig ihnen entgegengereckten Gedankengänge hineindrängen. JK

„Im Leben nebenan“, Anne Sauer

Anne Sauer erzählt von einer Frau, die von einem Moment auf den anderen mit einer Neugeborenen im Arm aufwacht. Neben ihr steht die Mutter ihres Jugendfreundes und hilft ihr und dem Baby rührend. Von Jakob, ihrem grade noch neben ihr schlafenden Verlobten ist nichts zu sehen, stattdessen kommt Adam, besagter Jugendfreund ins Zimmer, liebkost sie und das Kind und kümmert sich um sie.

Es gibt fast nichts auch nur annähernd Grenzüberschreitendes und radikal Veränderndes wie eine Schwangerschaft, wie ein Kind zu bekommen. Mal ganz abgesehen davon, dass es im Leben von Männern sowieso keine Entsprechung dafür gibt, ist ein Kind zu bekommen, schwanger zu werden gleichzeitig in unseren Köpfen das Natürlichste aber auch das Unvorstellbarste überhaupt. Diese zwei Leben stellt Anne Sauer parallel dar und erzählt von Antonia in dem einen und Antonia in dem anderen Leben mit einer Intensität und Lebensnähe, die dieses Buch zur Pflichtlektüre macht. (JK)

Anne Sauer „Im Leben nebenan“, dtv

„Der Problembär“, Gerhard Stöger

Gerhard Stöger „Der Problembär“, Falter Verlag

Da wird vom Journalisten und Autor Gerhard Stöger die Lebensgeschichte eines Menschen erzählt, den man, so wie das gleich im Vorwort steht, „ohne große Mühe unsympathisch finden konnte“. Dass dieser Mensch, Stefan Redelsteiner sowohl den Nino aus Wien, die großartigen Stefanie Sargnagel, Wanda und Voodoo Jürgens entdeckt und gemanagt hat und was er dabei erlebt hat, ist nicht nur wunderbar unterhaltsam zu lesen, gut reflektiert und von Gerhard Stöger genial geformt, es ist Legende und bringt mich einmal mehr zur Erkenntnis, dass ich dankbar bin, Buchhändler zu sein.

So erfährt man zum Beispiel davon, was passiert, wenn Mitglieder von Wanda und Stefanie Sargnagel aufeinandertreffen oder von Redelsteiners Ausflug in die Schlagerwelt. Es ist fast unglaublich, dass ein Mensch so eine Berg- und Talfahrt überleben und später dann so reflektiert und unterhaltsam davon erzählen kann. Zusätzlich findet sich im letzten Teil des Buches auch noch eine Liste von Redelsteiners Lieblingstracks, -Alben und Filmen und zumindest mir ist es so gegangen, dass ich sofort alle Bands, von denen ich gelesen habe, nachhören musste. Dieses Buch ist ein wildes Stück österreichische Musikgeschichte und eine Biografie, wie sie ihresgleichen sucht. (JK)


„Ein Mord im November“, Simon Mason

DI Ryan Wilkins hat ein Problem. Er ist Alleinerzieher, seine Ex-Frau ist gestorben und seine vorige Dienststelle hat ihn ins langweilige Oxford versetzen lassen und das nur, weil er dem Bischof von Weiß-der-Teufel-Wo ordentlich die Meinung gesagt hat. Gleich am ersten Abend nach der Strafversetzung wird er auch gleich in ein College gerufen, wo im Büro eines der Professoren die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, im Talar des Professors. Sein Kollege, Raymond Wilkins, der eigentlich zu dem Mordfall gerufen hätte werden sollen, ist gar nicht begeistert, als er am nächsten Tag zu seiner Chefin zitiert wird, weil er angeblich in Oxford herumgepöbelt hätte und schon haben wir das perfekte Buddy-Movie-Team.

Simon Mason schafft es die gehobene Unterhaltung eines Oxford Krimis mit dem Schmäh und dem Tempo von „Lethal Weapon“ zu vereinen und dabei auch noch spannend zu bleiben. Englisch, respektlos und spannend in einem. (JK)

Simon Mason „Ein Mord im November“, Goldmann Verlag

„Die Verpflichtung“, Gregory Galloway

Gregory Galloway „Die Verpflichtung“, Polar Verlag

Frank und Rick sind Einbrecher. Ihr Auftraggeber lässt sie wissen, was er will, sie bereiten sich gewissenhaft vor und organisieren die gewünschte Beute, doch eines Tages liegt ein totes Pferd vor dem Eingang ihres Hotels und Frank hält das für ein schlechtes Omen und will den Job abbrechen. Als Frank dann wenige Tage später untertaucht, ist klar, dass sich Ricks Leben für immer verändern wird und auch er spürt plötzlich eine dunkle Vorahnung.
„Die Verpflichtung“ erzählt von zwei Männern, die den anderen besser kennen als sich selbst, die füreinander alles tun würden und die es miteinander durch die härtesten aller Zeiten geschafft haben. Beide sind Ex-Junkies, und an der Schulter des jeweils anderen haben sie sich vom Gröbsten Dreck befreit und vom Schlimmsten ferngehalten und das mit einer Zärtlichkeit und einer tiefen Ruhe, die zutiefst berührt und beeindruckt.

Die Verpflichtung ist so cool wie Oceans Eleven und gleichzeitig so weise und langsam wie Dashiel Hammett. Gleich zu Anfang macht der Autor klar, dass es immer schlimmer wird, nur um dir zur selben Zeit ein Leseerlebnis zu ermöglichen, dass mit großer Kunstfertigkeit klar macht, mit welcher Präzision und professioneller Einzigartigkeit es großen Autoren möglich ist, langsam und geruhsam zu erzählen. Das ist ein stilles, ruhiges Buch, dass dich entspannt und zugleich fesselt und damit einer der ungewöhnlichsten und entspannendsten Kriminalromane des Sommers, des Winters, des Herbstes und der nächsten Monate überhaupt. (JK)


Anne Sauer „Im Leben nebenan“

dtv, 2025


Gerhard Stöger „Der Problembär“

Falter Buchverlag, 2025


Simon Mason „Ein Mord im November“

Goldmann Verlag, 2025


Gregory Galloway „Die Verpflichtung“

Polar Verlag, 2025