#41 Smash the Patriarchy! Oder: Gleichberechtigung

#41 Smash the Patriarchy! Oder: Gleichberechtigung

Der Weltfrauentag ist zwar schon wieder ein paar Tage her, aber bei uns dauert er sowieso 365 bzw. dieses Jahr sogar 366 Tage. Und das nicht, weil bei uns in der Buchhandlung mehr Frauen als Männer vertreten sind und der arme Chef dann katzbuckelnd klein beigeben muss*, sondern, weil … jetzt fehlen mir doch ein bisschen die Worte. Wie sag ich das am besten? Weil den Weltmännertag auch niemand kennt, weil allgemeiner Konsens zu bestehen scheint, dass dieser Tag nichts Besonderes ist, jeder Tag ist quasi Weltmännertag. Genau so. Genau so sollte das auch bei Frauen sein. Bei Frauen, egal welchen biologischen Geschlechts, egal welcher sexuellen Orientierung, egal welches Aussehens, egal, egal, egal. Es sollte nicht wichtig sein müssen, dass Frauen einen Weltfrauentag haben. Es ist aber leider wichtig. Sogar sehr wichtig. Auch wenn es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist …

Das Thema der Gleichberechtigung beschäftigt mich ja schon länger. Besonders zwischen Fahrrädern und Autos und zwischen den Geschlechtern. Es sind nun mal beides Bereiche, die mich unmittelbar betreffen und mit denen ich fast täglich kleine oder große Ärgernisse zu überwinden habe. Natürlich betrifft das nicht nur mich und diese Ärgernisse betreffen ganz bestimmt nicht nur Frauen, das ist mir bewusst. (Ich möchte an dieser Stelle ganz nebenbei die Kolumnen von Doris Knecht im Falter erwähnen, sie kann sich ganz wunderbar herrlich ärgern! Sei jedem ans Herz gelegt, der sich auch mal verstanden fühlen möchte!)

Und nun zu meinem literarischen Fund des Jahres!

Smash the Patriarchy. Der Widerstand als Graphic Novel“ von Marta Breen und Jenny Jordahl (Helvetiq Verlag). Der Titel sagt eigentlich schon alles. Es geht um die strukturelle Unterdrückung von Frauen durch Männer. Sei es in der Wissenschaft, in der Kunst oder im alltäglichen Leben. Frau ist zweitrangig. Allein die Tatsache, dass von Frauen nach wie vor erwartet wird, dass sie die Pille nehmen, trotz der Risiken, über die man oft eher halbherzig aufgeklärt wird, die aber, wenn es blöd geht, zum Tod führen können, aber tja, bei Männern kommen ähnliche Nebenwirkungen zum Vorschein und das ist einfach untragbar. Für Männer. (An alle Gynäkologen und Gynäkologinnen, die über die Risiken ordentlich aufklären: DANKE, DANKE, DANKE!)

Anyway … „Smash the Patriarchy“. Die Graphic Novel setzt ihre Geschichte bei den alten Griechen an, also bei Platon und Aristoteles. Die hatten nämlich beide ganz unterschiedliche Meinungen zu den Aufgabenbereichen von Frauen und Männern. Während Platon fand, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein und Führungspositionen je nach Fähigkeit besetzt werden sollten, fand Aristoteles, dass Frauen prinzipiell unterentwickelter, unanständiger, verlogener und schwächer sind als Männer. Außerdem sind sie faul. Ihr dürft raten, wessen Ideen besser ankamen. Ich frage mich, ob ich es als Mann auch toll fände, wenn mir ein anderer Mensch einfach nur durch sein Geschlecht in allem unterlegen wäre. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, ich wäre so wie viele Männer, die das ganz und gar nicht toll finden und sich für Gleichberechtigung einsetzen. (Es ist schön zu sehen, dass so viele großartige Männer, egal welchen biologischen Geschlechts, Gleichberechtigung  jeden Tag leben!)

Jedenfalls sprangen ganz viele Leute auf den Patriarchatszug auf. Auch sehr intelligente Männer waren dabei, deren Intelligenz ich damit ein bisschen anzweifle, trotzdem sie Kinder ihrer Zeit waren und vieles für die Menschheit getan haben. Aber zur Intelligenz gehört auch soziale Kompetenz, oder wie soll ich sagen, einfach Menschlichkeit. Ja, so seh ich das. Und wenn dann ein Herr, wie Immanuel Kant sowas sagt wie „Mit Bildung schwinden der Charme und die Anmut der Frau“ (Breen & Jordahl, S. 7) oder jemand wie der Kunstmaler Renoir „Sie ist uns nur als Eierstock und Gebärmutter nützlich. Am allermeisten jedoch als Vagina.“ (Breen & Jordahl, S. 14), ist das schwierig. Als wäre man als Frau dazu da für einen Mann irgendwas zu sein. Auch wenn mittlerweile Aussagen wie diese nicht mehr so leicht ihren Weg an die Öffentlichkeit finden, hat sich in vielen Köpfen nichts geändert. So kommt es wohl, dass der größte Kritikpunkt das Aussehen einer Frau bleibt und dass egal was sie zu sagen hat, es sowieso blöd ist und außerdem nicht stimmt. Liegt wohl hauptsächlich daran, dass sie unterentwickelt und verlogen ist. Ja, so muss es sein!

„Smash the Patriarchy“ geht weiter. So wurde wohl geglaubt, dass Frauen, die Bücher lasen, unmöglich den Unterschied zwischen Realität und Fantasie feststellen könnten, so dass sie in ihrer Fantasiewelt gefangen blieben. Dem feministischen Gott sei gedankt, dass Frauen sich zu jeder Zeit gegen solcherlei Dummheiten gewehrt haben! In der Graphic Novel werden listenweise Frauen aufgezählt, die sich diese Farce nicht gefallen ließen. Zum Beispiel: Marianne Hainisch, Chimamanda Ngozi Adichie, Bibi Khanoom Astarabadi, Hubertine Auclert, Juana Paula Manso, Virginia Woolf, Harriet Tubman, Fatima Ahmed Ibrahim, Beatrice Hastings, Sarah Kofman, Tove Ditlevsen, Debora Vogel, Kim Wall und viele, viele mehr. Einige Geschichten werden im Buch angerissen, einige bleiben am Ende Namen, über die man sich selbst informieren muss und möchte.

96 Seiten sind nicht lang. Trotzdem ist hier so viel Inhalt. So viel wichtiger Inhalt. Leider ist es bei feministischen Büchern oft so, dass sie von Menschen gelesen werden, die ohnehin Feministinnen und Feministen sind. Diejenigen, die sich wirklich mal die Zeit nehmen sollten, so ein Buch in die Hand zu nehmen, schenken einem oft nur ein herablassendes Schmunzeln.

Ich empfehle diese Graphic Novel jedem und jeder! Altersempfehlung etwa fünfzehn bis die älteste Person, die ihr kennt. Und alle, die sich selbst als jene Schmunzler wieder erkennen: Gebt doch zumindest diesem Buch eine Chance, es ist wirklich (zumindest) humorvoll!

*Kein Chef ist beim Schreiben dieses Textes zu Schaden gekommen. Spaß. Lieber Johannes, gut, dass du Feminist bist!


Smash the Patriarchy!
Marta Breen & Jenny Jordahl
Helvetiq Buchverlag 2023
978-3-03964-017-1

Hier geht’s zum Onlineshop


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