#27 Genauso, nur anders ist es mit der Berufsschule
Als Lehrling muss man, klarerweise, auch die Berufsschule besuchen, das gehört irgendwie dazu, haben die mir noch damals erzählt. Die meisten ärgern sich tatsächlich sehr darüber, dass es so etwas wie die Berufsschule gibt, schließlich will man von der Schule wegkommen, stürzt sich dabei in die Arbeitswelt, aber auch da wird man urplötzlich in die Schule geschickt. Ich habe tatsächlich sehr jung in meine Lehre gestartet, nämlich mit dem typischen Lehrlingsalter 15. Als ich damals in die Klasse reinging, war ich mir sehr unsicher, ob es auch wirklich die richtige Klasse war. Ich ging rein, schaute in die erwachsenen Augen meiner heutigen Klassenkameraden und Klassenkameradinnen und ohne auch nur ein Wort zu sagen kehrte ich um und ging wieder hinaus. Und dann fingen die Selbstgespräche an:
Destina, da sind erwachsene Menschen drinnen,
was hast du dir nur dabei gedacht, Mensch!
Ich fand mich im Sekretariat wieder und bat um Hilfe, so ziemlich so: „Hilfe, ich finde meine Klasse nicht!“ In der Tat wurde mir geholfen, sie brachten mich genau dorthin, wo ich vorhin hinausspaziert war. Was eine Ironie, oder?
Heute, im 2. Lehrjahr bin ich immer noch die jüngste Mitschülerin der Klasse. Viele Mitschüler und Mitschülerinnen haben uns aufgrund der Aufteilungen, oder Kündigungen verlassen und dafür sind auch ganz viele neue Freunde und Freundinnen dazugekommen, aber niemals jemand, der jünger war als ich. Das ist auch völlig in Ordnung so, trotz allem habe ich meinen Platz in der Schule gefunden. Nicht nur ich werde älter mit den anderen, die anderen werden auch älter mit mir und das ist genau das, was uns das letzte Jahr zusammengehalten hat und hoffentlich die kommenden zwei Jahre wird. Meine Kollegen und Kolleginnen sind sehr oft zu mir gekommen und haben gesagt „du bist sehr reif für dein alter, schön dass wir gemeinsam hier sind“ und ich finde, dieser Satz ist sehr typisch für eine Schule, wie die Berufsschule, das ist das Schöne daran.
Das Beste an der Berufsschule ist der Austausch. Wir alle arbeiten zwar im selben Bereich, nämlich Buch und- Medienwirtschaft, dennoch sind wir alle in komplett verschiedenen Betrieben tätig. Sei es in einer Buchhandlung mit vielen, verschiedenen Filialen, oder einer Einzel-Buchhandlung, oder einer Auslieferung, vielleicht einem Verlag oder einem Antiquariat. Tagtäglich begegnen wir unterschiedlichen Kunden mit verschiedenen Wünschen und gemeinsam reden und lernen wir darüber, wie wir diese Wünsche mit Büchern erfüllen können. Nicht jeder, mit dem ich rede, kann meine Lehre verstehen, aber meine Klasse schon, deshalb ist der Austausch und die Kommunikation für uns unheimlich wichtig und unglaublich lustig!
Passend zu diesem ganzen „Erwachsenwerden“-Thema habe ich letztens ein Buch beendet, das ich hier unbedingt erwähnen muss! „Genauso, nur anders“ von Andrea Arezina und Salome Müller ist ein feministisches Buch, in dem junge Frauen im Alter von 13 bis 19 Jahren innerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz über verschiedene Themen befragt und interviewt werden, wie sie es als Frau* oder Mädchen* empfinden, verschiedene Situationen im Alltag zu erleben. Insgesamt sind es 19 Gespräche über Verliebtsein und Sex, über Mobbing, Beziehungen, Freundschaften, über Leistungsdruck, Geld und den ersten Rausch.
„Als ich verstand, dass die Periode zum Frau* werden gehört,
Zitat aus dem Buch
dachte ich: Das will ich auch.“
Das Buch hat mir deutlich gezeigt, dass ich nicht allein bin. Dass man vieles als Frau erlebt, sowohl positive als auch negative Dinge. Ich habe es wirklich bis zur letzten Seite genossen und wurde nochmal daran erinnert, dass es sich lohnt jeden Tag neue Dinge zu erleben und das Beste daraus zu machen, weil ich heute mit meinen 16 Jahren in die Berufsschule gehen, erwachsen werden und Buchhändlerin sein darf! Unglaublich großartiges Buch für wirklich alle!
Ich danke meiner Klasse aus der Berufsschule für Handel und Reisen, dass ihr der Grund seid, weshalb ich mich jede Woche auf die Schule freue. Die kommenden zwei Jahre werden super, yeah!
Kein & Aber 2023
978-3-0369-5019-8
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