Offene Gewässer

Offene Gewässer

von Romina Pleschko

Keine Sorge, es wird schon schiefgehen.
Elfie wächst in Liebstatt auf. Ein See, ein Dorf, eine Kindheit bei der Oma, weil die Eltern in Berlin, naja, das weiß man nicht so genau und eigentlich gehts da auch gar nicht drum. Nur, dass die Oma das Kind aus dem Kinderheim mit dem Taxi von Deutschland in das kleine österreichische Dorf geholt hat und eigentlich haben sie nicht genug Geld, aber es geht sich schon aus, weil, zu so einem Baungert muss man ja, also da muss man sich ja kümmern und Nächstenliebe und alles. Das ist schließlich wichtig. Also ab in die Klosterschule und jetzt darf gefälligst der Aufschwung beginnen, der positive, die Heilung darf einsetzen bei dem lieben, armen Kind. Aber so lieb ist das Kind gar nicht und hübsch auch nicht. Keine großäugige Dankbarkeit, keine schüchtern-tragischen Emotions-Eruptionen, die durch die Schwester Heriberta getröstet werden könnten, kein beflissenes und den barmherzigen Opfern der Gemeinschaft gedenkend, pflichtgetreues Stolz machen der Dorfgemeinde durch einen Stockerlplatz beim Schwimmwettbewerb. Ist das Gfrast etwa undankbar?

Elfriede sagt „Elfriede sei mit dir“ in der Kirche beim Friedensgruß. Elfriede nennt die nackerten, faltigen Vogelküken, die sie zu retten versucht nach den deutschen Touristen am Seeufer, weil sie sich so ähnlich schauen. Elfriede kommt als schwangere Nonne zum Faschingsgschnas, weil die frommen Schwestern von gar nichts anderem reden können als der Gefahr einer Befleckung durch das Mitfahren am Sozius eines Mopeds, weil nix ist gefährlicher.
Romina Pleschko erzählt so sprachpräzise Preziosen, dass ich beim Lesen erschaudere. Elfriede ist die österreichische Holden Caulfield, pragmatisch wie Brenner und so angefüllt mit vollmundig-schwerwiegendem Witz und Tiefgang, dass du den See durchschreiten kannst, am Grund nämlich. Mit dem Strom schwimmen wird überbewertet. „Offene Gewässer“ ist die pure Freude, 206 Seiten in einem Sitz gelesen, verdammt ist jede erzwungene Pause!


Kremayr & Scheriau 2023
978-3-218-01384-0

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